Über die Kunst, andere wirklich zu erreichen

Es gibt Sätze, die wir im Coaching von Führungskräften öfter hören. Einer davon ist ebenso drastisch wie bezeichnend:

„Von meinen Führungskräften und meinen Kollegen ist keiner geeignet für die anstehenden Aufgaben…“

Diesen Satz hörte ich zuletzt vom Vorstandsvorsitzenden einer großen Organisation, die zwei Jahre später ins Straucheln kam und die zu guter Letzt den Vorstand ausgetauscht hat. Tatsächlich hatte dieser Vorstandsvorsitzende nicht etwa eine Truppe von Führungskräften übernommen, sondern fast alle Führungskräfte waren von ihm selbst eingesetzt und ihm langjährig bekannt. In eigentlich guter Absicht hatte er die Organisationsstruktur von einer Linienstruktur auf eine Matrix getrimmt. Leider hatte er vergessen, dass er sich selbst auch hätte ändern müssen in einer so tiefgreifenden Veränderung. Von seinen Führungskräften erwartete er Verantwortungsübernahme, mehr Pushen, mehr Führung der Führungskräfte, ohne jedoch selbst sein Verhalten zu verändern. Er regierte weiterhin wie vorher, bevormundete seine Vorstandskollegen und Führungskräfte und wunderte sich, dass die gewünschte und dringend notwendige Veränderung nicht eintrat.

Von außen und als Berater ist bisweilen deutlich erkennbar, wenn zwischen Vorstand und Mitarbeitern keine wirkliche Verbindung besteht. Und hier meine ich nicht nur gute Kommunikationsstrukturen oder gar ausgefeilte Rhetorik, sondern tatsächlich eine Haltung, die sowohl die inneren als auch die äußeren Wirkprinzipien im zwischenmenschlichen Kontakt berücksichtigt.

„Einer allein hat immer Unrecht, zu zweien beginnt die Wahrheit“, sagte der Philosoph Friedrich Nietzsche. Der Haken in der Führung ist oft, dass wir Verbindungen zu anderen zwar wollen und wir verstehen auch theoretisch, wie essentiell es ist und wie es geht oder gehen könnte, aber die Welt der anderen können wir trotzdem nicht erreichen. Entweder stellen wir unsere Sicht der Welt über die Sicht der anderen und lassen das, was der andere sagt oder tut, gar nicht wirklich gelten oder wir verhalten uns gegenteilig und ordnen uns der Sichtweise der anderen unter, um entweder keinen Konflikt zu riskieren oder auch, um der sonst folgenden Unsicherheit zu entkommen. All das sind aber lediglich Bewältigungsstrategien, die in der Führungsarbeit ungünstig sind. Verbindung braucht mehr als Kommunikation: Verbindung braucht ein Verständnis der Welt des anderen. Und sie braucht Anerkennung auf Augenhöhe, auch als Vorstand. Verbindung braucht Empathie und die Kenntnis dessen, was im Kontakt mit anderen wirkt und was nicht und was vielleicht sogar Gegenteiliges bewirkt. Die größte Herausforderung besteht darin, eine Verbindung im Konflikt oder in der Krise aufrecht zu erhalten.

Vielleicht ist der Verbindungsaufbau zu anderen in der Führungsaufgabe tatsächlich der Himmelsritt, die Feuertaufe, die schwierigste Aufgabe der Führung überhaupt. Eine tragfähige Verbindung  ist im Job wie auch im richtigen Leben individuell, störanfällig, volatil, interpretationsbedürftig, veränderlich im Zeitablauf und bisweilen komplex. Und dennoch ist der gute Kontakt notwendige Voraussetzung für das Gelingen von Kommunikation, aber auch Voraussetzung für den Erfolg von Teams und Organisationen.

Investition in gute Kommunikation lohnt sich deswegen immer und beginnt ohne Ausnahme mit der eigenen Reflektion. Diese Arbeit an sich selbst baut die Fähigkeit zur Verbindungskompetenz auf und ist essentiell, gleich in welchem Beruf Sie agieren und in welchem Umfeld Sie sich bewegen.