Schauen Sie hinter Ihre eigene Fassade!

Führen mit Präsenz – Gedankenanstöße aus der Coaching-Praxis

Es gibt Sätze, die wir im Coaching öfter hören. Einer davon ist uns kürzlich wieder begegnet:

„Das tue ich alles nur für die Firma!“

Oder wahlweise: „Damit will ich nur mein Team schützen.“ Oder auch: “Das kann ich meinen Mitarbeitern nicht antun.“ Oder: „Das geht in meiner Organisation nicht!“

Bei dieser Art Aussage werde ich als Coach hellhörig, denn in der Regel verbirgt sich dahinter ein ganz gewaltiges Eisberg-Thema. Sie wissen schon: Da guckt die Spitze des Eisbergs hervor und der große Rest des Eisbergs liegt unter der Wasseroberfläche. Was passiert zunächst beim Empfänger dieser Aussage? Der Wunsch des Sprechenden lautet: „Versteh mich, sieh mein Dilemma! Ich handle doch nicht eigennützig. Ich handle lediglich zum Wohle von anderen. Das kann mir niemand ankreiden! Das ist edel, hilfreich und gut.“ Das ist ein Appell an unser Verständnis. Es schwingt aber auch eine Entschuldigung mit, eine Rechtfertigung, etwas wie „Meine Motive sind so unzweifelhaft und edel, sie können gar nicht falsch sein. Und ich will sie vor allem nicht zur Diskussion stellen. Und etwas anderes will ich dazu auch nicht hören…“ Das ist der Subtext. Und hier liegt der Rest des Eisbergs.

Einerseits stellt sich die Frage, warum hier eine Diskussion abgeblockt werden soll. Es gibt wohl noch andere Gründe für das Handeln. Die können vielfältig sein: Zum Beispiel: Eigentlich will ich das genau so und nicht anders und was mein Team will, weiß ich nicht, will es nicht wissen und in jedem Fall entscheide ich, was es wissen sollte. Oder auch: Ich denke, dass mein Team beschützt werden sollte wie Kinder. Ich filtere, was sie hören dürfen und denken dürfen. Die können nämlich nicht alleine entscheiden und denken. Oder auch: Nur ich weiß, was die Organisation oder das Team will. Ich habe die auch so gebrieft. Also braucht es keine Diskussion mehr darüber….

Sie sehen schon, worauf ich hinaus will. Meist steckt hinter dieser Aussage ein sehr persönliches Motiv. Und auch eines, das einer Führungsaufgabe gerade in agilen Zeiten nicht wirklich gerecht wird. Das kann eine Entscheidungshemmung sein, eine Scheu vor einer schwierigen Situation oder einer Auseinandersetzung oder auch schlicht der Versuch, einen notwendigen Einschnitt wegzudiskutieren.

Meine Erfahrung mit diesem Satz ist, dass es sich lohnt, ihn zu hinterfragen und den Blick hinter die Fassade der Worte zu werfen, denn genau da spielt die Musik. Das können Sie auch im Selbstversuch wagen und testen. Denn allzu menschlich ist es, dass wir uns auch selbst mit falschen Motiven vordergründig beruhigen und hintergründig täuschen:  „Das mache ich doch nur für meine Kinder, für meine Frau, damit wir schnell zum Konsens kommen, für den lieben Frieden…“

Es lohnt sich immer, sich selbst auf die Schliche zu kommen, bevor es andere tun….